Dokumentation Haushaltssanierung und Verwaltungsreform/Fachzeitschriften


Ausgabe Juli 1998



'Trainingslager' für Beamte und Angestellte - Kongreßmesse 'Schlanker Staat' zum 2. Mal in Düsseldorf

(BS) Die Kongreßmesse 'Schlanker Staat' besuchten 1.500 Beamte und Angestellte aus der deutschen Verwaltung. An zwei Tagen informierten mehr als 50 Referenten über konkrete Möglichkeiten der Kostenreduzierung und Entbürokratisierung. Große Aufmerksamkeit erhielt auch die Vorstellung von Pilotprojekten aus Neuseeland, der Schweiz und Holland. "Diese Beispiele zeigen", so Projektleiterin Petra Schiewer, "daß nicht nur die deutsche Verwaltung mehr Bürgernähe und Dienstleistung sucht. International ist das Thema 'Schlanker Staat' auf der Tagesordnung von Regierungen."

Der NRW Innen- und Justizminister Fritz Behrens versprach, mit einem Kraftakt die Verwaltungsreform im bevölkerungsreichsten Bundesland zügig voranzutreiben. Auch die Bundesregierung betonte durch Friedrich Bohl, dem Chef des Kanzleramtes, ihr 'Credo' für einen "durchtrainierten Staat, der seine Aufgaben effektiv erfüllen kann und sich auf das Wesentliche konzentriert." Bohl erklärte: "Die Bilanzen zeigen, daß wir den richtigen Weg eingeschlagen haben."

Bei der Neugestaltung einer modernen Verwaltung bot der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) seine konstruktive Hilfe an. Für den DGB sagte Egbert Biermann: "Das Gold in den Köpfen der Beschäftigten muß genutzt werden. Die Erfahrungen, Kenntnisse und die Veränderungsbereitschaft der Beschäftigten sind eine zentrale Größe bei allen Modernisierungsvorhaben."

Das 30stündige Seminarprogramm ergänzten knapp 100 Aussteller mit der Präsentation von Produkten und Dienstleistungen aus der privaten Wirtschaft. Der Schwerpunkt lag in den Bereichen EDV/Computer, Energiewirtschaft, Personal- und Unternehmensberatung sowie Dienstleister aus den Bereichen Reinigung, Sicherheitsdienste sowie Transport/Verkehr.

Im Detail befaßte sich das 'Forum Zukunft' mit zentralen Fragen der 'Entbürokratisierung der öffentlichen Verwaltung'. Den Auftakt bildeten die Vorstellungen der 'Pilotprojekte zur Verwaltungsverschlankung auf kommunaler Ebene an den Beispielen Neustadt an der Weinstraße und Detmold'. Die Modernisierungsansätze der Städte Detmold und Neustadt stehen in scharfem Kontrast zueinander. Dies zeigt, daß sich eine Leistungssteigerung kommunaler Verwaltungen auf sehr verschiedenen Wegen erreichen läßt. Es ist von öffentlichem Interesse, daß gute örtliche Leistungen auf einem 'Markt der Innovationen' von der Fachwelt auf ihre Vor- und Nachteile und ihre Übertragbarkeit überprüft werden.

Die Vorgehensweise der beiden Städte weißt folgende Unterschiede auf: In der Stadt Detmold wurde die Verwaltung im Sinne eines neuen Steuerungsmodells konsequent umgebaut. In Neustadt dagegen verzichtete man auf einen Umbau und setzte statt dessen auf schnell wirkende Einzelmaßnahmen der Aufgaben- und Ausgabenkritik einschließlich des Verkaufs unwirtschaftlicher Immobilien. Der gemeinsame Nenner beider Städte ist das unbedingte und nicht nur zeitweilige Ziel, die Leistung der Verwaltung grundlegend zu verbessern, um kommunalpolitisch handlungsfähig zu bleiben.

Für die Stadt Neustadt erläuterte deren Beigeordneter Wolfgang Ressmann die Rahmenbedingungen und die bisher erreichte Modernisierung: Die kreisfreie Stadt Neustadt an der Weinstraße (Rheinland Pfalz) hat 55.000 Einwohner. Sie ist die größte weinbautreibende Gemeinde Deutschlands sowie Sitz der Bezirksregierung Rheinhessen-Pfalz. Vor zehn Jahren zählte Neustadt zu den höchstverschuldeten Städten Deutschlands. Heute ist sie die einzige kreisfreie Stadt in Rheinland Pfalz, die seit 1993 in Folge ihren Haushalt ausgleichen kann und gleichzeitig den kommunalen Schuldenberg um über ein Drittel (185 Mio. DM auf ca. 119 Mio. DM) reduzieren konnte. Innerhalb der Kernverwaltung wurde auf ein dreiteiliges Instrumentenmix (AABK) gesetzt:

a) Aufgabenkritik: Wirtschaflichkeitsberechnungen im Einzelfall für verwaltungstechnisch/politisch geforderte neue Leistungen inkl. Personalentwicklung.

b) Ausgabenkritik inkl. Vertragsmanagement: Überprüfung bestehender Ausgabenstrukturen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten

c) Bestandskritik: stetige Überprüfung des städtischen Immobilien- und Liegenschaftsbesitzes nach Wirtschaftlichkeitsgesichtpunkten.

Die Beteiligung der Bürgerschaft am kommunalen Entwicklungsprozeß beschränkt sich nicht nur auf die reinen Konsultations-, Anhörungs- und Mitspracheverfahren. Die Rückgabe von Souveränität und Verantwortung an die Bürgerschaft ist hier in erheblichem Umfang erfolgt.

Fazit: Das Beispiel Neustadt an der Weinstraße zeigt, daß die Bewältigung einer dramatischen kommunalen Haushaltssituation unter Einbeziehung von Politik, Verwaltung und Bürgerschaft möglich ist, ohne die notwendige städtische Hilfestellung für sozial schwächere Bevölkerungsschichten einschränken zu müssen. Eine wichtige Voraussetzung für einen erfolgreichen kommunalen Reformprozeß ist außerdem eine transparente und offene Informationspolitik gegenüber der Bürgerschaft und den politischen Entscheidungsträgern, sowie die konzeptionelle und politische Glaubwürdigkeit der Verwaltungsspitze.

Das zweite Pilotprojekt schildert Volkmar Reinke, technischer Beigeordneter der Stadt Detmold: diese mit 80.000 Einwohnern hat ein Haushaltsvolumen von ca. 410 Mio. DM. Sie ist Sitz der Bezirksregierung und der Kreisverwaltung. In der Detmolder Stadtverwaltung sind rund 950 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, hinzu kommen etwa 150 aus den kommunalen Eigengesellschaften.

Die zentrale Zielsetzung der Organisationsentwicklung in Detmold war die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit und der Büroorientierung. Ein Schlüsselbegriff Detmolder Verwaltungsreform lautet deshalb dezentrale Ressourcenverantwortung. Damit sind nicht nur die finanziellen, sondern in gleichem Maße auch die personellen Ressourcen und die 'Ressource Organisation' gemeint.

So sind beispielsweise an die Stelle von 28 Ämtern neun Fachbereiche mit eigenständig bewirtschaftbaren Budgets und ein Steuerungsdienst getreten. Formal existieren nur noch drei Führungsebenen: der Verwaltungsvorstand als Kollegialorgan, die Fachbereichsleitungen und die Teamverantwortlichen.

Zu den neu geschaffenen Rollen und Funktionen gehört auch die Verpflichtung der Verwaltung zur regelmäßigen Berichterstattung an die Politik und den Vorstand. Hierzu ist in Detmold ein umfassendes produktorientiertes Controlling entwickelt worden, das die Struktur der Fachbereichs- und Produkt-Wirtschaftspläne spiegelbildlich wiedergibt. Es eröffnet erstmals die Möglichkeit, basierend auf den Daten der laufenden Vollzugskontrolle, eine rationale Finanz- und Leistungsplanung zu erstellen.

Die Grundlage der vorgenommenen organisatorischen Änderungen und des Controllings ist die Darstellung sämtlichen Verwaltungshandels der Stadt Detmold in Produktplänen und -beschreibungen. Die Definition der rund 160 Produkte der Verwaltung ist Anfang 1995 abgeschlossen worden. Nicht zuletzt die konsequente Einbeziehung der Bürgerschaft führte dazu, daß die Stadt Detmold im Dezember 1996 mit dem '3. Speyerer Qualitätspreis' ausgezeichnet wurde.

Neues Steuerungsmodell bei der Polizei in NRW

Seit Anfang der 90er Jahre wird die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen systematisch reformiert. Ulrich Dugas, Inspekteur der Polizei referierte, daß diese Reform alle wesentlichen Bereiche der Polizei umfaßt: die Organisation, die Aufgabe, die Technik, das Personal und die Führung. Ziel der Reformen ist eine wirkungsvollere Aufgabenerledigung und verstärkte Bürgerorientierung bei wirtschaftlichem Ressourceneinsatz sowie eine größere Arbeitsmotivation der Beschäftigten in der Polizei. Das 'neue' Stuererungsmodell umfaßt die Elemente Zielvereinbarung (für ca. 70 Behörden und Einrichtungen), dezentrale Resourcenverantwortung (möglichst schon auf unterster Ebene), Budgetierung (es läuft seit 1996 in sechs Modellbehörden ein auf drei Jahre befristeter Versuch) und Outputsteuerung (das Handeln der Polizei orientiert sich an einem vorweg definierten Leistungsergebnis, das es zu erreichen gilt).

In diesem Zusammenhang der Kosten- und Leistungsrechnung wird die Polizei in NRW von der Kienbaum Unternehmensberatung begleitet. Joachim Werner veranschaulichte in seinem Vortrag den bisherigen Projektverlauf, die weitere Projektplanung und die konzeptionellen polizeispezifischen Besonderheiten der Kosten- und Leistungsrechnung.

Steuerung des 'Konzerns Staat'

Etwa 200 Mitgliedstädte des Deutschen Städtetages haben sich auf den ehrgeizigen Weg der Verwaltungsmodernisierung begeben und sind bestrebt, Elemente neuer Steuerung, wie dezentrale Ressourcenverantwortung, Budgetierung, Produktorientierung und Verwaltungskostenrechnung, einzuführen. Dieser Umbauprozeß in den Kernverwaltungen wird häufig begleitet von Privatisierungsschritten in Bereichen, die nicht zum hoheitlichen Teil der Stadtverwaltung gehören. Vorherrschend ist dabei die Gründung von Eigengewerkschaften - meist GmbH's. Die städtischen 'Töchter' haben inzwischen eine so große Zahl erreicht, daß in manchen Rathäusern die Umsätze im ausgelagerten Bereich den der Kernverwaltung bereits übersteigen.